Als wir dortin zogen, wo wir jetzt wohnen, wussten wir noch nicht, dass wir mit der Wahl unserer neuen Wohnung auch ein Statement unseres Lebensgefühls, einer Lebenseinstellung und was weiß ich noch abgeben würden. Dass man überhaupt in Berlin-Friedrichshain wohnt, geht schon mit einer Kassifizierung deines Lifestyles einher. Oder hat da jemand das Kleingedruckte beim Unterschreiben des Mietvertrages nicht gelesen? Wenn du jemandem erzählst, dass du in Friedrichshain wohnst, brauchst du eigentlich wenig ergänzen, denn ganz schnell formt sich ein Bild vor dem geistigen Auge deines Gegenübers.
Für den Friedrichshainer hat es sich damit aber noch längst nicht erledigt. Du gehörst erst dazu, wenn du im „richtigen“ Kiez wohnst. Welches das ist, hängst natürlich ganz davon ab, wen man so fragt. Und die Diskussionsgruppen in Social Networks, welcher Kiez denn nun der angesagtere sei, Nordkiez oder Südkiez, reißen nicht ab. Ganz zu schweigen davon, dass es auch noch den Stralauer Kiez gibt oder das Viertel rund um die Richard-Sorge-Straße oder die Weberwiese usw. …
Wir wohnen in Hörweite der Samariterkirche, nördlich der Frankfurter Allee und damit im Samariterviertel, Samariterkiez, Nordkiez oder wie man es auch immer nennen will. „Der Nordkiez oder auch „Samariterviertel“ wird begrenzt durch die Frankfurter Allee im Süden, die Petersburger Straße im Westen, den ehemaligen Zentral-Vieh und Schlachthof im Norden und die Ringbahn im Osten.“ weiß der offizielle Stadtteilführer von Berlin zu berichten.
Mit der 9. Verordnung über die förmliche Festlegung von Sanierungsgebieten vom 21.9.1993 hatte der Senat von Berlin gem. §142 Baugesetzbuch (BauGB) das Samariterviertel zum Sanierungsgebiet erklärt. Die Aufhebung der Sanierungsverordnung erfolgte mit Senatsbeschluss vom 15. Januar 2008. Mehr als 25 Millionen Euro sind investiert worden. Ein Beleg für den Erfolg der Maßnahmen scheint der Zuwachs an Bewohnern um 38% innerhalb der letzten 6 Jahre zu sein. „Insbesondere Familien mit Kindern haben das innerstädtische Wohnen im Samariterviertel als attraktiven Lebensort wiederentdeckt. “ heißt es vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, der Sanierungsverwaltungsstelle der Abteilung Stadtentwicklung und Bauen.
Da haben wir’s also. Wir wohnen im beschaulichen Mutti-Vati-Kind-Nordkiez, während sich die Kreativen, die Hippen, die Trendsetter, Dandys, Barbies & Co. im Südkiez tummeln. Dafür gibt’s bei uns aber noch die Chance auf nächtliche Ruhe und Parkplätze, ätsch! Nun ja, vorausgesetzt, man gehört zu den glücklichen, die für die Straßen rund um das Ring Center einen Anwohnerparkausweis bekommen haben.
Kurz gesagt, wir wohnen ziemlich gut und gern hier. Nur an unsere Wohnung müssten wir in absehbarer Zeit ein Zimmer anbauen können. Unser Lebensgefühl braucht mehr Platz, um sich auszudrücken, aber wir wollen uns keine neue Wohnung suchen müssen.
Vielleicht probieren wir es demnächst mal mit einem Durchbruch zum Nachbarn mit der Ein-Zimmer-Wohnung, der immer so schön Klavier spielt…