Sohnemann liebt das U-Bahn fahren. Nicht allein der U-Bahn wegen, die schon durch Farbe, Technik und mächtig viel Wind beim Einfahren beeindruckt, sondern, weil er dabei so herrlich aus dem Fenster gucken kann. Die Bahnhöfe dienen gern dazu, mich zu fragen, was diese und jene Menschen da gerade machen, die ich in den meisten Fällen nicht mal mehr sehe, weil sie so schnell vorbei huschen. Oder ich muss ihm den Inhalt von Werbeplakaten erklären, was mich manchmal ins Schwitzen bringt, denn mütterliche Wischiwaschi-Antworten lässt Sohnemann nicht gelten und bohrt nach.
Die (für ihn schier endlosen) Tunnelfahrten lassen mangels Ausblick genug Zeit für tiefsinnigere Fragen. Neulich kam dann diese:
„Mama, bist du schon alt?“
Fragen dieser Art stellen Kinder ja gern unvermittelt und laut, so dass auch die ganze Nachbarschaft etwas davon hat.
„Tja…“, versuchte ich zu erklären, „ich bin schon viel älter als du, aber immer noch jünger als Oma und Opa.“
Prompt kam die Nachfrage: „Wie alt genau?“
„33 Jahre alt.“
Seine kraus gezogene Nase verriet mir, dass er mit dieser Zahl auch nicht mehr anfangen konnte als mit meiner Antwort davor.
„Wie viel ist das mit Fingern?“, bohrte er nach.
Ich zeigte ihm drei Mal die vollen Hände und noch drei Finger dazu. Das hatte ihn wohl beeindruckt.
„Und bei Oma und Opa sind das noch viiieeel mehr Finger?“
Ich nickte. Nach kurzer Denkpause stellte er resümierend fest: „Mama, dann bist du so mittelalt, oder? Das ist wie im Mittelalter bei den Rittern.“
Darauf konnte ich nichts sagen und schaute wohl verdattert genug, um das Pärchen gegenüber zum schmunzeln zu bringen.
„Mama, sind die Ritter aus dem Mittelalter alle schon gestorben?“
Unser Gespräch wurde von der Einfahrt in den nächsten Bahnhof unterbrochen und er wollte prompt wissen, warum hier alle Kacheln hellgrün seien. Keine Chance für mich noch zu erklären, dass 33 Jahre rein gar nichts mit dem Mittelalter zu tun haben, aber man in diesem Alter schon oft wahrhaft ritterlich sein müsse.
Umso mehr musste ich schmunzeln, als mir bei einem Bummel durch den Kiez am Montag die letzte Ausgabe des Maulbeerblattes in die Hände fiel. Frieda Hain mit ihren schönen Stoffen und vielen kleinen Nettigkeiten, sorgt immer wieder dafür, dass das Friedrichshagener Blättchen verlässlich seinen Weg nach Friedrichshain findet. Schön zu lesen sind die Neuigkeiten aus dem Maulbeerbüro in Rabes Ressort. Und wie heißt es dort so schön?
„In meinem Alter ist man weder jung noch alt – mittelalt trifft’s eher. Anders gesagt: Ich bin im Mittelalter. […]“
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