Interview: Eine Reise voller Grenzerfahrungen

Interview: Eine Reise voller Grenzerfahrungen - 5 Fragen an Leonie Lutz von MiniMenschlein.de
Gruppenfoto mit Schulkindern

Eigentlich – so war der Plan – wollte ich Leonie, zweifache Mutter, Bloggerin, Redakteurin und Onlineshop-Inhaberin auf ein Interview für meine Rubrik „5 Fragen an…“ auf NetWorkingMom.de einladen. Irgendwann mal, wenn mal dafür Zeit ist. Es läuft ja einem nicht weg. Ihr kennt das…

Doch die Reise, von der Leonie vor Kurzem erst zurückgekehrt ist, hat mich sehr beeindruckt. Darüber hinaus bewundere ich das Tempo, in dem auf meine Interviewfragen prompt ihre Antworten kamen. Und da BerlinFreckles.de mein Blog mit der größeren Reichweite ist, habe ich mich entschlossen, das Interview hier zu veröffentlichen, denn ich finde, dass möglichst viele Menschen es lesen sollten.

Interview: Eine Reise voller Grenzerfahrungen - 5 Fragen an Leonie Lutz von MiniMenschlein.de
Schulgebäude im Kinderdorf

Leonie, wenn man deinen Blog und deinen Online-Shop verfolgt, sieht man, dass du nicht der Typ Mutter bist, der Stillstand liebt. Deine Reise nach Kambodscha, von der du gerade zurückgekehrt bist, war dann aber doch ein gewaltiger Schritt. Was hast du da genau gemacht und wie kam es dazu?

Ich war zehn Tage in Kambodscha und habe dort das Kinderdorf „Light Of  Hope“ besucht, bei Instagram in Echtzeit über alles berichtet und auf meinem Blog über meine Erfahrungen geschrieben.

Entstanden ist die ganze Sache durch einen meiner Geschäftspartner, Amigo Spiele. Sie statten das Kinderdorf mit Spielen aus und fragten, ob ich mit ihnen und der CFI Kinderhilfe nach Kambodscha reisen würde. Ich hatte direkt Lust und wollte mich der Herausforderung stellen, musste das aber natürlich noch mit meiner Familie besprechen. Die war dann aber auch im             Boot und hat alles drumherum organisiert, damit ich diese Reise antreten kann.

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Leonie im Gespräch mit Kindern des Kinderdorfes

Du hast erwähnt, es war eine Reise voller Grenzerfahrungen. Kannst du das näher beschreiben?

Im Grunde ist alles anders und alles schlimm. Ich will es mal so beschreiben: Jeder hat seine persönlichen und emotionalen Schmerzgrenzen. Persönlich fiel mir schwer, mich an die hygienischen Bedingungen zu gewöhnen und die Tatsache, keinen sauberen Rückzugsort zu haben.

Emotional war ich jedoch permanent an meiner Grenze. Es ist einfach so dass man den Kindern ja auch nah kommt, mit manchen spricht, zu einigen aber auch nicht durchdringt. Ihre Lebensgeschichten zu erfahren, ihr Leid, ihren Hunger, das war furchtbar. Ich muss dazu sagen, dass die Kinder im Kinderdorf sehr sicher sind. Es wird sich gut um sie gekümmert – in allen Belangen. Sie können in Kindergarten oder Schule gehen, sie bekommen gesunde Mahlzeiten, sie haben Kleidung, ein Paar Schuhe, vor allem aber auch Liebe und Nähe durch die Pflegeeltern, die mit den Kindern dort fest wohnen.

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Grundschulklasse im Kinderdorf
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Detailaufnahme aus der Grundschule im Kinderdorf

Schlimm ist es besonders dann, wenn man aus dem Kinderdorf heraus fährt und viele viele Kinder sieht, für die man sich wünscht, dass sie auch in die Obhut des Kinderdorfs könnten. Diese Kinder sind so arm, sie haben noch nicht mal ein Paar Schuhe. Allenfalls eine Hose und ein Shirt. Sie ernähren sich ausschließlich von Reis und ein paar Pflanzen, die sie am Boden finden. Entsprechend mangelernährt sind sie. Das ist sehr schlimm.

Im Artikel auf Spiegel Online, der über dich und deinen Weg zum professionellen Bloggen berichtet, steht, du kannst gut zwischen Alltag und Arbeit trennen kannst. Während der Zeit in Kambodscha war das ja kaum möglich, denn du konntest all das Geschehen um dich herum ja nicht einfach ausschalten wie einen Computer. Wie war das für dich?

In der Tat konnte ich da überhaupt nicht trennen. Ich habe sehr schlecht geschlafen und immerzu kreisten meine Gedanken. Ich habe mein ganzes Leben hinterfragt, ständig hin- und her überlegt, was man tun könnte, um all die Kinder zu retten. Ich hatte Schamgefühle für mein Leben hier in Deutschland, ich empfand tiefe Wut und bittere Machtlosigkeit.

Ich war ja zum Glück nicht alleine dort und es hat mich über Wasser gehalten, dass wir alle jeden Abend zusammen saßen und den Tag besprachen. Dass es ok war, wenn wir geweint haben und ok war, wenn wir alle an allem zweifelten.

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Minigarten vor dem Schulgebäude

Erst beim Rückflug wurde mir bewusst, dass ich mich nicht schämen muss für mein Leben. Scham hilft den Kindern dort auch nicht. Schämen muss sich mich nur, wenn ich weiß, welches Leid dort herrscht und wenn ich nichts unternehme. Meine Familie und ich werden nun eine Patenschaft für ein Kind übernehmen, die 37 Euro im Monat kostet. Für uns ist das eine kleine Summe, in Kambodscha können wir damit ein Kind retten.

Was oder wer hat dich vor Ort besonders nachhaltig beeindruckt?

Tatsächlich das Kinderdorf. Ich bin ja, wie viele andere auch, von Natur aus ein Skeptiker, wenn es um Spendenprojekte geht. Dort aber habe ich gesehen, wie ein Projekt läuft, wenn es Menschen gibt, die spenden – und wie toll das am anderen Ende der Welt investiert wird.

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Auch richtiges Zähne putzen ist eines der Projekte im Kinderdorf
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Ordnung muss sein. Die Schuhe bleiben draußen…

Das Kinderdorf ist sehr klar konzeptioniert und strukturiert. Die Wochentage sind sehr westlich organisiert, die Kinder gehen zum Kindergarten und zur Schule, es gibt eine lange Mittagspause, Essen für alle und dann nochmal Schule und Kindergarten am Nachmittag. Gegen 16 Uhr haben alle Kinder frei. Gegen 17 Uhr wird meist schon zu Abend gegessen, da es sehr früh dunkel wird.

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Neugieriger Blick in den Klassenraum der älteren Schulkinder
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Kinder während der Schulpause

Fast alle Lehrer waren früher selbst im Kinderdorf und haben dort ihren High School Abschluss gemacht. Wie auch der Schuldirektor sind sie nach dem Studium wieder an diesen Ort zurück gekehrt und geben als Lehrer nun das weiter, was sie selbst gerettet hat: Sicherheit und Bildung.

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Leonie mit dem Schulleiter, der einmal selbst als Kind hier im Kinderdorf lebte

Und wie geht es jetzt weiter?

Das ist eine gute Frage. Die habe ich mir in Kambodscha jeden Tag gestellt. Ich werde nicht aufhören, mich für Kinder in Not zu engagieren.

Ich werde jetzt aber auch nicht unser Leben hier verteufeln oder verurteilen. Ich lebe gerne, wie ich lebe. Sehr sicher werde ich gewisse Dinge einschränken, im nächsten Monat zum Beispiel keine neuen Weihnachtskugeln kaufen, sondern einfach das nutzen, was ich sowieso im Keller habe. Das Geld, das ich spare, schicke ich dann lieber Richtung Kambodscha in Form einer Patenschaft.

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Mädchen im Kinderdorf

Zu guter Letzt: Wo kann man dich im Netz überall finden, wenn man mehr von dir lesen möchte? Und gibt es etwas, das du unbedingt noch loswerden möchtest?

Alle Beträge: www.minimenschlein.de/kambodscha

Instagram: @minimenschlein

Facebook: www.facebook.com/MiniMenschlein

Danke, Leonie, für das Interview und die Fotos, die du zur Verfügung gestellt hast.

 

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